© Martin Christopher Welker

Uns wirst du nicht mehr los

dokumentarisches Musiktheater (2013–15)
für Gitarre, 2 Posaunen, 2 Schauspieler, Video- und Audiozuspiel, 80 Min.
Komposition: Tobias Klich
Text und Regie: Cornelia Heger

Dokumentarisches Musiktheater über die Tätigkeit des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR und die seelischen Folgen von Stasi-Zersetzungsmaßnahmen und Stasi-Haft in die nachfolgenden Generationen hinein.

© Martin Christopher Welker

Man muß aber auch sagen, manchmal sind es auch Jubiläen. Jubiläen, die die Mehrheit vielleicht wirklich in Gedenken, in einem angemessenen Gedenken begeht, die das auch wieder schlimmer machen. Also es sind nicht immer nur schlimme Intentionen oder die falschen Menschen, die dahinter stehen, sondern es ist einfach auch manchmal: aha, jetzt ist es 20 Jahre her, jetzt ist es 25 Jahre her und alles kommt wieder hoch.“

Prof. Dr. Dr. Andreas Maercker

© Martin Christopher Welker

Das dokumentarische Musiktheaterprojekt Uns wirst du nicht mehr los möchte den anhaltenden seelischen Folgen von „operativer Psychologie“ und „Zersetzungsmaßnahmen“ („weiße“ Folter) durch die DDR/Stasi Ausdruck verleihen und die Auswirkungen von Trauma sowie dessen trans-generationale Weitergabe an die Zweite Generation untersuchen. Ziel ist einerseits, mit Mitteln des dokumentarischen Theaters den theoretischen und staatsrechtlichen Überbau des paranoiden DDR-Überwachungssystems aufzuzeigen und den Aussagen von Zeitzeugen gegenüberzustellen sowie andererseits unter Anwendung aktueller Erkenntnisse aus Traumaforschung und Epigenetik die logische wie brisante Schlussfolgerung nahezulegen, dass psychische Folter seine Wirkung über Generationen behält, auch wenn das politische System, das sie erzeugte, längst weg ist.

Im Fokus stehen dabei Dissertationen der ehemaligen Juristischen Hochschule Potsdam/Golm zur „Operativen Psychologie“ der Stasi, Interviews mit Zeitzeugen und Wissenschaftlern zur Traumaforschung und Epigentik.

Die Musik greift direkt in das dokumentarische Material ein und setzt mit instrumentalen und elektronischen Mitteln als Erweiterung, Deformation und Zersetzung von Sprache an. Als Modell wird der Prozess von Zersetzung, Traumatisierung und Weitergabe des Traumas an den Instrumenten selbst vorgeführt, szenische und musikalische Elemente sind dabei eng miteinander verwoben, um auf diese Weise ein genaues Hören und emotionales Verstehen und somit eine kritische Auseinandersetzung zu befördern.

© Martin Christopher Welker

Wir erzeugen ja mit einer wissenschaftlichen Untersuchung den Eindruck, es wäre alles sagbar, und das ist ja nur ein Teil der Geschichte, denn vieles bleibt unsagbar: Ausmaß, Art des Schmerzes, des Inneren, was in einem brennt, das lässt sich nicht in eine Studie hineinbringen, deswegen bleiben wir immer so wie eine Folie über dem, was eigentlich wichtig ist und wie man eigentlich empfindet.“

Prof. Dr. Dr. Andreas Maercker

© Martin Christopher Welker

Komposition: Tobias Klich
Text und Regie: Cornelia Heger

Klangregie: Constantin Popp
Video: Alenka Kreideweiss
Schauspieler*innen: Vivian Lüdorf, Mareike Zwahr
Gitarre: Tobias Klich
Posaune 1: Alon Stoler
Posaune 2: Mohamed Aly

Interviewpartner Zeitzeugen:
Mathias Kreibich, Astrid Kreibich

Interviewpartner & wissenschaftliche Beratung:
Prof. Dr. Dr. Andreas Maercker
Dr. phil. Dipl.-Psych. Stefan Trobisch-Lütge

Sprecher*innen der Audiozuspielungen:
Sabine Germer, Lutz Streicher, Klaus Streich, Björn Werner

Bondage-Künstler: Shibari-Express
Puppen-Bau: Florian Loycke/das Helmi

Technische Leitung: Jörg Schildbach & „Lichtblick“
Licht: Arthur Romanowski
Ton: Falk Noack, Stefan Hergenröther
Regie-Assistenz: Paulina Bock de Barillas
Finanzierung, Produktionsleitung, Öffentlichkeitsarbeit:
Kerstin Wiehe, Milena Oswald, k&k kultkom

UA: 08.12. | 09.12. | 10.12.2015 | Heinrich-Böll-Stiftung Berlin
Eine Produktion von Kulturkontakte e.V.
Gefördert mit Mitteln der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur
sowie durch die Heinrich Böll Stiftung Berlin.

Quellenangaben

Die Zitate der Audiozuspielungen entstammen folgenden Dissertationen, die an der „Juristischen Hochschule“ des MfS in Potsdam/Golm entstanden sind:

Oberstleutnant Dr. Falz, Erich JHS
Oberstleutnant Dr. Meyer, Fritz JHS
Oberstleutnant Herzog, Klaus HA IX
Oberstleutnant Liebewirth, Gunter HA IX
Oberstleutnant Sachse, Horst JHS
Oberstleutnant Schulze, Hans-Georg JHS
Oberstleutnant Tronicke, Hans-Dieter JHS
Major Grimmer, Reinhard ZAIG
Major Scherf, Gerhard AG Stellv. d. Min.
Hauptmann Kärsten, Uwe JHS

„Die Qualifizierung der politisch-operativen Arbeit des MfS zur vorbeugenden Verhinderung und Bekämpfung der gegen die Staats- und Gesellschaftsordnung der DDR gerichteten politischen Untergrundtätigkeit“

VVS JHS 001 – 200/79 [806 Seiten JHS 21886, Band 1-4] 25.04.1979; S. 28 – 30, 95 ff, 105, 107

Oberstleutnant Roitzsch, Werner HV A
Hauptmann Lips, Werner ZMD
[Titel des Orginals:] „Meßgerät“

GVS JHS 001-30/79 [207 Seiten JHS 21890 oder JHS 21889, 2 Bände] Vollständiger Titel:

Die wissenschaftliche Bewertung des psychologischen Verfahrens der Stimmanalyse, seine Einsatzmöglichkeiten und Grundsätze in der politisch-operativen Aufklärungsarbeit des MfS“

10.10.1979; Bd. 1: S. 27, 30, 33 – 39, 41, 55, 67; Bd: 2: S. 2 – 5, 7, 8, 24, 25, 27, 28, 44 – 46

Oberst Zank, Horst JHS
Oberstleutnant Lorenz, Werner HA IX
Oberstleutnant Donner, Ernst JHS
Oberleutnant Rauch, Manfred JHS

Die weitere Vervollkommnung der Vernehmungstaktik bei der Vernehmung von Beschuldigten und bei Verdächtigenbefragungen in der Untersuchungsarbeit des MfS“

VVS JHS o001 – 234/86 [481 Seiten JHS 21986 oder JHS 20020 oder HA IX – 497] 05.12.1986; S. 141, 147, 270, 271, 280, 281, 283, 284, 285, 286, 287

Weitere Zitate sind folgendem Dokument entnommen:

Operationsplan zur weiteren politisch-operativen Bearbeitung 
des Operativ-Vorlauf „Club“ – Registriernummer VIII 1122/70. Kreisdienststelle Zeitz, 19.02.1972

Pressestimmen

„Insgesamt ein musiktheatralisches Projekt, das einen vor Kälte erschauern lässt.“

Zenaida des Aubris | Opernnetz