Younghi Pagh-Paan: »AA-GA – 雅歌«

filmische Interpretation (2015), 18:18

mit Ulrike Brand (Violoncello), CHEN Chengwen (Kalligraphie)
und Younghi Pagh-Paan mit einem Gedicht von Cheon Sang-Byeong
Kamera, Schnitt, Regie: Tobias Klich

Der Musikfilm zu »AA-GA I« von Younghi Pagh-Paan unternimmt den Versuch einer visuellen Interpretation dieser Komposition und verknüpft dabei mehrere Ebenen miteinander. Extreme Nahaufnahmen in ungewöhnlichen, ständig wechselnden Perspektiven auf das kraftvolle Spiel der Cellistin Ulrike Brand stehen im Kontrast zur langsam entstehenden Kalligraphie des Stücktitels (geschrieben von CHEN Chengwen). Pinsel und Cellobogen korrespondieren dabei in Parallelmontagen, Musizieren als Schreiben.

Auch zu Beginn steht eine sprachliche Inspirationsquelle für dieses Werk: ein Gedicht von Cheon Sang-Byeong (1930–1993), gelesen von der Komponistin Younghi Pagh-Paan:

»klarer als das Morgenlicht,
dichter als die ganze Welt,
in Schmerzen, tiefer als die Nacht
sind sie davongegangen«*

Die eigentliche Widmung dieses Stücks für JEON Tae-il, der sich 1970 im Alter von 22 Jahren bei einer öffentlichen Demonstration, kämpfend für die Rechte der Arbeiter in den südkoreanischen Fabriken, selbst verbrannt hatte und dessen Namen Younghi Pagh-Paan in ihrem Werkkommentar von 1984 nicht preisgeben wollte, bleibt auch in diesem Musikfilm unausgesprochen. Zu groß ist mein Respekt vor der Demut der Komponistin, den Namen und das Schicksal von JEON Tae-il nicht einfach nur für ihr Stück »benutzen« zu wollen, sondern vielmehr in einer sehr persönlichen »Würdigung im Lied« an ihn zu gedenken.

Am Ende des Films schauen wir durch die Kalligraphie von »AA-GA« auf die Cellistin. »Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt« schreibt Ludwig Wittgenstein. Diese »Würdigung« läßt sich nicht aussprechen, doch vielleicht überschreitet die Musik diese Grenzen und schreibt sich tiefer in den Körper ein.

*) Mit Dank für die neue Übersetzung an Jieun Jun, Daniela Claus und Ulrike Brand.